Turmhofer Pochwerksrad

Ansicht um 1850
Historische Ansicht Turmhofer Wäsche und Erzwalzwerk um 1850 (Quelle: Deutsche Fotothek)

Beschreibung der Anlage

Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der Freiberger Silberbergbau intensiviert, neue Schächte wurden geteuft und die bestehenden Gruben, insbesondere die Himmelfahrt Fundgrube mit ihren zahlreichen Schächten, in ihrer Förderkapazität ausgebaut. Der Turmhofschacht ist von 1842 bis 1857 als Richtschacht und als Hauptförderschacht abgeteuft worden. Damit sollten die Erzgänge der alten Thurmhofer Gruben abgebaut werden. Es wurden u.a. der Himmelfahrter Kunstgraben bis zum Thurmhofschacht angelegt, Gebäude für eine Setzwäsche, ein Dampfwalzwerk und ein Nasspochwerk errichtet und technisch ausgestattet. Die Thurmhofer Poch- und Setzherdwäsche wurde 1846 in Betrieb genommen und verarbeitete das geförderte Roherz der beiden Schachtanlagen Thurmhof Richtschacht und Abraham Fundgrube bis zur Inbetriebnahme der zentralen Erzwäsche (Zentralwäsche) zwischen Davidschacht und Abrahamschacht 1889 für die Schächte der Himmelfahrter Fundgrube.

Von der Aufbereitungsanlage sind heute als Sachzeugensubstanz nur noch die Gebäude, ein Relikt der Antriebswelle in dem Stangenschacht des Erzwalzwerkes und die Radstube  mit dem Wasserrad für das ehemalige Nasspochwerk vorhanden.

Unmittelbar am Pochwerksgebäude wurde im Fußbereich der Halde des Kleinharter Schachtes 2 m unter Geländeoberkante die Radstube für das Pochwerksrad angelegt und in Natursteinmauerung ausgebaut. Die Radstube hat die Ausmaße 10,75 m lang, 12,45 m tief und ist in der Mitte 2,47 m breit. Bedingt durch ihren tonnenförmigen Grundriss beträgt die Breite der Stirnseiten nur 2,00 m. Das Wasserrad wurde 1846 für eine angedachte Betriebszeit von 25 bis 30 Jahren gebaut, hat einen Durchmesser von 9,72 m, eine Schaufelbreite von 1,50 m und konnte bei voller Beaufschlagung eine Antriebsleistung von 12,5 PS erzeugen. Das Rad wurde und wird auch heute noch mit Wasser aus dem Himmelfahrter Kunstgraben beaufschlagt. Von hier aus wurde das Wasser kaskadenartig im Grubenbereich der Himmelfahrter Gruben bis zum Niveau der Freiberger Mulde zur Wasserhebung und Schachtförderung mehrfach genutzt.

Das Pochwerksrad ist im deutschen Erzbergbau der älteste im nahezu kompletten Originalzustand erhaltene, noch funktionsfähige und leicht zugängliche Sachzeuge der Energieerzeugung aus Wasserkraft im Bergbau.

Das Wasserrad ist aus Lärchenholz gefertigt und sitzt als oberschlächtiges Wasserrad auf einer ca. 3,0 m langen und aus Tannenholz gezimmerten Welle mit einem Querschnitt von 0,65 x 0,65 m. Die Welle ist im Einsteckbereich der Wellenzapfen für die Aufnahme der Spannringe rund. Das Rad besteht aus acht Haupt- und 16 Hilfsarmen und ist mit 84 gusseisernen Schaufeln bestückt. Diese sitzen eingefalzt in den Radkränzen und sind im Inneren des Rades mit Lärchenholzbrettern verschlossen. Im jetzigen Zustand beginnt sich das Rad nach der Füllung von vier bis sechs Schaufeln mit Aufschlagwasser zu drehen.

Durch die Benetzung des Radkörpers infolge in die Radstube tropfender und stark mineralisierter Haldensicker- /Niederschlagswässer und wahrscheinlich durch unkontrolliert zufließendes Wasser aus dem Kunstgraben wurde der Radkörper ständig befeuchtet und somit weitestgehend gegen Pilzbefall und Fäulnis geschützt und konnte so durch zeitweise erfolgte Rotation seine Funktionalität erhalten. Nur so ist erklärbar, dass uns das Rad über diese Zeitspanne erhalten blieb und in den 50-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zufällig wiederentdeckt werden konnte.

Montanregion ErzgebirgeDer Radstubenkomplex wurde in den Bestand des Forschungs- und Lehrbergwerkes der TU Bergakademie Freiberg integriert, das Rad generalüberholt und die Zugänglichkeit verbessert. Für den Besucherbetrieb konnten in dem Gebäudekomplex zwei Räume ausgebaut werden, in denen über die Stoßherdwäsche und das Nasspochwerk sowie über der System der Bereitstellung des Aufschlagwassers informiert wird.

Der Radstubenkomplex kann in Wanderbekleidung besichtigt werden. Führungen können über unser Kontaktformular oder telefonisch nach Vereinbarung erfolgen. Die Anlage ist Teil des Projektes Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří.

Text: Dr. Karl Heinz Eulenberger

Geschichtliche Abfolge (Bau und produktive Nutzung)

  • 1828: reicher Erzanbruch im Abrahamschacht auf dem Gottlob Morgengang
  • 25.04.1843: Entscheidung über den Bau eine neuen Erzwäsche unweit des neuen Hauptschachtes auf dem Turmhof Stehenden
  • 01.09.1843: Festlegung über die Lage des neuen Hauptschachtes, Beginn des Baus der Aufschlagrösche vom Abrahamschacht her
  • 28.03.1845: Fertigstellung der Planung zum Bau der Wäsche
  • Trinitatis 1845 bis Reminiscere 1847: Bau des Wäschgebäudes und der Maschinen
  • 25.10.1845 Richtfest auf der neuen Turmhofer Poch- und Stoßherdwäsche
  • Trinitatis 1844 bis Luciae 1846: Bau des Kunstgrabens
  • 25.10.1846: erstes Anschützen des Pochrades der Turmhofer Wäsche
  • Luciae 1846 bis Luciae 1847: Bau einer Eisenbahn vom Abraham-Schacht bis zur Turmhofer Wäsche
  • ab 1850: Bau eines Wassereinfall- und Antriebswellenschachtes für ein turbinengetriebenes Erzwalzwerk mit Setzwäsche
  • 1854: Inbetriebnahme des Erzwalzwerkes
  • 13.09.1889: Inbetriebnahme der neuen Zentralwäsche am Davidschacht
    Nutzung der Turmhofer Poch- und Stoßherdwäsche für Aufbereitungsversuche
  • 1893: endgültige Stilllegung der Wäsche und des Turbinenwalzwerkes

 

Geschichtliche Abfolge (Wiederentdeckung und touristische Nutzung)

  • 1954 Wiederentdeckung des Wasserrades durch den Reviersteiger der Himmelfahrt Fundgrube
    Bergbauhistorische Dokumentation durch Prof. Otfried Wagenbreth
  • 1993: Einbau eines Traggerüstes und Schaffung der Zugänglichkeit für den Besucherbetrieb
  • 1994 bis 2009: Wasserrad im Bestand des Forschungs- und Lehrbergwerkes der TU Bergakademie Freiberg, Generalüberholung des Wasserrades und Möglichkeit von geführten Besichtigungen
  • 2009: Ausgliederung aus dem Bestand der TU Bergakademie Freiberg, Ende der Besichtigungsmöglichkeiten
  • 2014: Gründung der Arbeitsgruppe „Turmhofer Pochwerksrad“, Wiederinstandsetzung mit Unterstützung der SAXONIA-FREIBERG-STIFTUNG
    Ausbau von 2 Räumen für den Besucherbetrieb, Erneuerung Elektoinstallation, Wiederaufnahme des Besucherbetriebes
  • 2021 bis 2022: Defekt des Wellenzapfens, keine Vorführungen möglich
  • 03/2022 bis 12/2022: Grundhafte Instandsetzung des südlichen Wellenzapfens mti finanzieller Unterstützung des Sächs. Landesamtes für Denkmalschutz u.a. durch die Firma Mühlenbau Schumann aus Mulda.
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